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Und wieder bei der Arbeitsagentur…

28. November 2012

Nach knapp 8 Monaten in drei aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen stehe ich wieder auf der Straße – oder besser vor der Arbeitsagentur – und melde mich arbeitssuchend.

Dieses Mal geht die Aufnahme in die Arbeitsamtverwaltung schnell am Telefon vonstatten. Eine sehr freundliche Mitarbeiterin überprüft, was sich an meinen Daten geändert hat und zeigt viel Empathie für meine Lage und meine Enttäuschung, dass es nichts mit einer Anstellung bis zum Rentenbeginn wurde. Ich bekomme einen Termin vier Wochen später und melde ich mich dann persönlich auf dem Amt arbeitslos. Ich bin wieder auf dem Verwaltungsweg (was wäre ich doch lieber auf dem Jakobsweg!): erst Anmeldung am Empfang, dann herumsitzen im Wartebereich bis ich aufgerufen werde. Wir sind eine buntgemischte Gruppe in jeder Hinsicht: Junge und Ältere, Männer und Frauen, eine smarte junge Dame mit der FAZ unter dem Arm, eine ältere Frau mit Strickzeug, viele gebrochen deutsch redende Männer und Frauen, die meist von nahen Verwandten begleitet werden. Ich beobachte die Menschen, die mit mir in einem Boot sitzen. Auf uns lastet ein Gefühl von Resignation. Nur ein älterer Mann in Anzug und Schlipps strahlt Unruhe aus; immer wieder geht er zum Kaffeeautomaten und holt sich einen weiteren Coffeinschub – sein Kampf gegen die Resignation. Ich hole meine Tageszeitung heraus und vertiefe mich in die Geschehnisse der weiten Welt, auch wenn Krieg, Mord, Finanzdisaster nicht gerade aufbauend sind, so lenkt es doch von meiner derzeitigen Situation ab. Ca 1 ½ Stunden später werde ich aufgerufen.

Ich lege dem jungen Sachbearbeiter die Unterlagen auf den Tisch, einschließlich einer Krankmeldung meines Arztes. Das schnelle Ende meiner letzten Stelle hat mich schockiert, ich fühle mich schwach, hoffnungslos und nicht belastungsfähig. Der junge Sachbearbeiter zeigt ebenfalls viel Empathie. Ich stelle erleichtert fest, dass das Klima menschlicher geworden ist. Vor 22 Monaten ging alles sehr verwaltungsgemäß-unbeteiligt zu, die „Fälle“ wurden abgearbeitet.

Doch jetzt greift wieder eine Vorschrift: Da ich noch krankgeschrieben bin, kann ich mich nicht arbeitssuchend melden. Es wird vermerkt, dass ich mich fristgerecht gemeldet habe, aber meine Bewerbungsunterlagen und die ausgefüllten Formulare muss ich wieder mitnehmen – bis zum nächsten Mal…

Zwei Wochen später schwinge ich mich wieder aufs Rad und auf geht’s zum Arbeitsamt. Wieder warten in der Schlange am Empfang, einchecken, und dieses Mal dauert es nur eine halbe Stunde bis ich aufgerufen werden. Eine freundliche lächelnde ältere Mitarbeiterin nimmt meine Unterlagen entgegen, checkt die Datenbank, ob alle Angaben vorliegen, ergänzt dies und das, bestätigt meinen Termin beim Arbeitsvermittler drei Tage später, händigt mir ein weiteres Formblatt aus, das ich dann wiederum am Empfang zusammen mit den Bewerbungsunterlagen abgeben soll. Es geht alles einen wohl geordneten Gang. Schließlich geht es noch um den Termin bei der Leistungsabteilung. „Ich gebe Ihnen einen Termin in 10 Tagen morgens um 9:30 Uhr, ist Ihnen das recht? Sie können dann noch ausschlafen und gemütlich Kaffee trinken, bevor Sie hierherkommen. Schließlich haben Sie ja in Ihrem Leben viel gearbeitet.“ Diese freundlichen Worte lassen meine Augen feucht werden, eine Träne kullert über die Backe. Ach ja, sicher habe ich viele, viele Jahre gearbeitet, aber ich wünsche mir doch sehr, mich noch noch fünfeinhalb Jahre ins Arbeitsleben einbringen zu können. Da taucht wieder die Angst auf, mit 63 vorzeitig Rente mit Abzügen beantragen zu müssen, nur eine Minimalrente zu erhalten, meine Zusatzrente auflösen zu müssen, um bis zum (vorgezogenen) Rentenbeginn über die Runden zu kommen, wenn mir keine Stelle angeboten wird.

Drei Tage später sitze ich beim Arbeitsvermittler in der Jobagentur. Herr P. begrüßt mich freundlich. Die Verwaltungsschritte gehen ihren Gang: Er findet keine passende Stelle in der Datenbank; selbst eine fachlich passende Ausschreibung einer SPD-nahen Institution kommt nicht in Frage, da der Vermerk „jüngere Mitarbeiterin gesucht“ hinterlegt ist im System. Wie war das noch mal mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz? Papier ist Papier, Theorie und Praxis klaffen realitätserhellend auseinander…

Als ich im Gespräch äußere, dass ich noch 5 ½ Jahre arbeiten MUSS, um der drohenden Altersarmut zu entgehen, zuckt seine Hand zu einem Stift und er macht einen Vermerk auf einem Blatt Papier, das vor ihm liegt. Ich erzähle, dass ich sogar versucht habe, als Kurierfahrerin eine Anstellung zu finden. Herr P. klickt sich nochmals durch die Datenbank, findet aber keinen weiteren passenden Vorschlag und beendet das Gespräch, indem er mir alles Gute wünscht. Ich bin dankbar für diese freundlichen Worte. Im Jahr zuvor wurde ich eher kritisch angesehen und bekam auch zu hören: „Arbeit gibt es genug. Rufen Sie doch auch mal Verbände wie das Rote Kreuz an, die nehmen auch ältere Arbeitnehmerinnen.“ Auch das war graue Theorie einer Verwaltungsbeamtin.

From → arbeitssuche

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